Ein Hund während der Strahlentherapie in Narkose

Wirksam, aber selten eingesetzt:

Wie funktioniert Strahlentherapie bei Tieren?

von Dr. Jan Kuntz & Team // 05. Februar 2025

Die Strahlentherapie ist auch bei unseren Haus- und Heimtieren eine hervorragende Behandlungsmöglichkeit bei onkologischen, aber auch bei gutartigen Erkrankungen. Die eingesetzte ionisierende Strahlung ist unsichtbar, die Reaktionen verzögert und das Grundprinzip dieser etablierten Therapie daher schwer vorstellbar. Wir klären hier die wichtigsten Fragen zu Wirkung, Technik und Ablauf. 

Achtung: Diese Informationen können ein persönliches Gespräch im konkreten Fall nicht ersetzen. Wenn Sie Fragen haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

Welche Indikationen gibt es für die Strahlentherapie?

Die Strahlentherapie wird unter anderem bei Krebs angewendet und ist eine der drei klassischen Säulen der Onkologie. Sie wird also bei unseren Tieren, genau wie beim Menschen, zur Bekämpfung von gutartigen und bösartigen Tumoren eingesetzt. Die Strahlentherapie ist wie die Chirurgie eine lokale Behandlungsform. Das bedeutet, dass Tumoren und Metastasen gezielt bestrahlt werden, weshalb auch die Nebenwirkungen der Strahlentherapie lokal auftreten. Nicht alle Tumoren und Gewebe sind gleich strahlenempfindlich, das heißt sie reagieren unterschiedlich auf die Strahlentherapie.

Strahlentherapieplanung für Tiere

Die individuelle Aufarbeitung ist bei jedem Patienten entscheidend

Die ideale Therapie für einen bestimmten Tumor kann aus mehreren Komponenten bestehen. So werden manche Tumoren zuerst operiert und dann bestrahlt, man spricht dann von einer adjuvanten Strahlentherapie. Auch der umgekehrte Fall ist möglich: erst Bestrahlung, dann Operation. Dies nennt man neoadjuvant. Manchmal ist eine Chemotherapie im Anschluss an die Bestrahlung sinnvoll. Es gibt sogar die direkte Kombination, die Radiochemotherapie. Hier macht man sich die verstärkende Wirkung der Chemotherapie bei der Bestrahlung zunutze, die eingesetzten Medikamente heißen Radiosensibilisatoren.

Kann die Strahlentherapie bei weiteren Erkrankungen eingesetzt werden?

Neben der Behandlung von Krebs wird die Strahlentherapie auch erfolgreich zur Schmerzlinderung eingesetzt. Man spricht hier auch von Strahlentherapie bei gutartigen Erkrankungen. Dazu gehören zum Beispiel degenerative Gelenkerkrankungen, chronisch-entzündliche Prozesse in den Gelenken oder Arthrose. Solche Schmerzen entstehen zum Beispiel beim Hund langfristig durch Ellbogengelenksdysplasie, Hüftgelenksdysplasie, durch Übergewicht, aber auch als normale Abnutzungserscheinung bei älteren Tieren.

Wie wirkt die Strahlentherapie?

Physikalisch beruht die Strahlentherapie auf der Anwendung ionisierender Strahlung. Die Strahlung muss also genügend Energie haben, um einzelne Elektronen aus einem Atom oder Molekül herausschlagen zu können. In unserem Fall handelt es sich entweder um hochenergetische Elektronen oder um ultraharte Röntgenstrahlung.
Die Ionisationen in der Zelle führen zu Schäden an der DNA, dem Bauplan der Zelle. Sind die Schäden so groß, dass sie nicht mehr repariert werden können, geht die Zelle zugrunde und das Ziel der Strahlentherapie ist erreicht. Zellen und Gewebe verbrennen bei der Bestrahlung nicht, sie erwärmen sich nicht einmal. Die Gesamtenergie ist so gering, dass eine Erwärmung nicht messbar ist. Die Strahlentherapie selbst ist daher nicht schmerzhaft, es gibt keine Sinneswahrnehmung für ionisierende Strahlung. Die Nebenwirkungen können jedoch, ähnlich wie bei einem Sonnenbrand, vorübergehend Schmerzen verursachen. Die Strahlentherapie ist nicht zu verwechseln mit der Anwendung von Lasern oder sichtbarem Licht. Auch die photodynamische Therapie (PDT) beruht auf einem völlig anderen Prinzip. Der Patient wird bei der Bestrahlung nicht selbst radioaktiv, so dass nach der Behandlung keine zusätzliche Gefahr von ihm ausgeht.

Schritt 1: Hund kommt zur Behandlung

Wichtig zu wissen

Nach der Strahlentherapie ist der Patient nicht radioaktiv. Die Strahlentherapie stellt daher für den Tierhalter keine Gefahrenquelle im Umgang mit dem Tier dar. Insbesondere beim Umgang mit Kindern sollten die Tiere jedoch bis zum vollständigen Abklingen der Narkose beobachtet werden.

Strahlen­therapie: High­tech für höchste Präzision!

Die ionisierende Strahlung wird bei Equinox Healthcare mit einem Linearbeschleuniger erzeugt. Dieses Bestrahlungsgerät aus der Humanmedizin beschleunigt Elektronen so stark, dass sie fast Lichtgeschwindigkeit erreichen. Diese hochenergetischen Elektronen können nun direkt für die Strahlentherapie eingesetzt werden, zum Beispiel bei vielen Hauttumoren des Pferdes. Werden die Elektronen innerhalb des Beschleunigers in einer Metallplatte, dem Target, wieder abgebremst, entsteht Bremsstrahlung, also ultraharte Röntgenstrahlung. Diese ist physikalisch vergleichbar mit der Strahlung aus einer diagnostischen Röntgenröhre, nur dass die Energie etwa hundertmal höher ist. Die Röntgenröhre müsste also mit sechs Millionen Volt betrieben werden. Diese Röntgenphotonen dringen tief in das Gewebe ein und werden deshalb zur Bestrahlung von innenliegenden Tumoren eingesetzt, zum Beispiel in der Nase, im Gehirn oder im Brustkorb. Die millimetergenaue Bestrahlung mit einem riesigen Bestrahlungsgerät erfordert viel Planung und moderne Technik. Bei der Bestrahlung mit Elektronen werden häufig einzelne Blenden aus einem Schwermetall gegossen, um das Bestrahlungsfeld einzugrenzen.

Bei innenliegenden Tumoren werden die Bestrahlungspläne auf leistungsfähigen Computersystemen erstellt. So wird sichergestellt, dass der Tumor die verordnete Dosis erhält, während das umliegende Gewebe möglichst geschont wird. Ein Bestrahlungsplan enthält Anweisungen für das Bestrahlungsgerät, aus welchen Richtungen und mit welchen Einstellungen bestrahlt werden soll. Eine wichtige Komponente ist dabei der Mehrlamellenkollimator, im Englischen Multi-Leaf-Collimator oder kurz MLC genannt. Die einzelnen Lamellen können sehr präzise, schnell und computergesteuert bewegt werden und lassen in der Mitte eine Lücke für den Strahlendurchgang. So kann immer genau der gewünschte Bereich bestrahlt werden, während Risikoorgane möglichst geschont werden.

Computertomographie und Patientenlagerung

Die Leistungsfähigkeit eines modernen Bestrahlungsgerätes kann nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn der Patient exakt und reproduzierbar gelagert wird. Zu diesem Zweck werden für jeden Patienten individuelle Lagerungshilfen angefertigt. Bei Equinox Healthcare setzen wir unter anderem Vakuummatratzen, also formstabile Kissen, und Gebissabdrücke zur Lagerung ein. Viele Hilfsmittel gibt es nicht zu kaufen. Wir lassen sie entweder passgenau anfertigen oder bauen sie selbst in unserer Werkstatt.

Die Lagerungshilfen fertigen wir für jeden Patienten ganz am Anfang an, noch bevor die Computertomographie zur Bestrahlungsplanung durchgeführt wird. Damit am Ende alles zusammenpasst, hat unser Computertomograph die gleiche Patientenliege wie das Bestrahlungsgerät. So können die Lagerungshilfen einfach und passgenau an beiden Systemen befestigt werden.

Lagerungsmaterialien sichern höchste Genauigkeit bei der Strahlentherapie

Patienten­individuelle Lagerungs­materialien

Vakuummatratzen, Gebissabdrücke, Blenden und weitere Zusatzkonstruktionen dienen der präzisen und genauen Lagerung der Patienten. Sie bleiben so lange unverändert, wie der Patient strahlentherapeutisch behandelt wird. 

Wie schnell sehe ich das Ergebnis der Strahlentherapie?

Wie schnell ein Tumor auf die Strahlentherapie anspricht, ist abhängig von den Ursprungszellen, aus denen er entstanden ist. Manche Tumoren schrumpfen bereits unter der Bestrahlung deutlich, andere brauchen mehrere Monate, bis sie ansprechen. Palliative Bestrahlungen zielen zum Teil darauf ab, das weitere Wachstum des Tumors zu stoppen oder zu verlangsamen und die Schmerzen zu lindern. Das geeignete Bestrahlungsprotokoll hängt im Wesentlichen von der Indikation, also vom Tumor selbst ab. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen definitiven und palliativen Protokollen.

Definitive Protokolle zielen auf eine bestmögliche Tumorkontrolle über einen möglichst langen Zeitraum ab. Sie haben relativ viele Fraktionen mit moderater Einzeldosis.

Palliative Protokolle hingegen sollen die Lebensqualität des Patienten verbessern, ohne ihn länger zu belasten. Hier werden in der Regel wenige Fraktionen mit hoher Einzeldosis eingesetzt.

Wo immer möglich, stützen wir uns bei der Auswahl der Protokolle auf wissenschaftliche Studien. Allerdings gibt es in der Veterinärmedizin nicht für jeden Tumor bei jeder Tierart eine adäquate Publikation. Insbesondere beim Pferd fehlen für die meisten Tumoren noch große Studien. In diesen Fällen greifen wir auf Erkenntnisse von anderen Tierarten, aus der Humanmedizin und auf unsere Erfahrungswerte zurück. Die Therapiemöglichkeiten und das anzuwendende Protokoll müssen in diesen Fällen individuell besprochen werden. Auch die Frage, ob ein palliatives oder definitives Protokoll gewählt wird, ist eine individuelle Entscheidung. Eine Anpassung der Therapie an das individuelle Ansprechen des Tumors ist jedoch nicht möglich. Kleine Tumoren benötigen nicht zwangsläufig weniger Fraktionen als große Tumoren. Vielmehr wird die adjuvante Strahlentherapie nach makroskopisch vollständiger Tumorentfernung häufig in sehr vielen Fraktionen durchgeführt, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Equinox

Strahlentherapiezentrum für Pferde und Kleintiere
An der Wann 8-10
63589 Linsengericht

T. +49(0) 6051 49098 – 10

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